Ich hatte einen Traum. Ja, ich hatte einen sehr starken, figürlich plastischen Traum mit einer zielgerichteten Vision. Das Endergebnis sieht man an der bildhaften Dokumentation des Auferstehungskreuzes.
Während der Erarbeitung und Gestaltung dieses Kreuzes gingen mir von Anfang bis Ende zwei Sätze durch den Kopf.
Der erste Satz lautet:
„Das Kreuz ist nicht nur Zeichen des Leides, sondern auch das Symbol des Lebens.“
Bewusst habe ich auf die allgegenwärtige Todeskreuzdarstellung – mit der Kreuzung des senkrechten und waagerechten Balkens – verzichtet und die Lebenskreuzform gewählt. Der waagerechte Balken wurde geteilt, die zwei Balkenstücke verlaufen nun in aufsteigender Richtung schräg nach hinten.
Der zweite Satz lautet:
„Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
In dieser Kreuzdarstellung ist Kreuzigung mit Tod und beginnender Auferstehung – Loslösung – vom Kreuz zu einer Einheit verbunden. An der rechten Seite Jesu sind noch die Qual und das Leid der Kreuzigung sichtbar, der rechte Arm und das rechte Bein sind noch mit großen Nägeln fest angenagelt und mit einem dicken Seil an dem Kreuzesbalken fest angezogen.
Ich wollte durch die Verseilung der Gliedmaßen und des Leibes Jesu mit den Kreuzesbalken die Brutalität der Kreuzigung noch steigern und darstellen, dass Jesus durch seine eigene Kraft nicht mehr vom Kreuz loskommen sollte.
An der linken Seite Jesu sind die beginnende Ablösung vom Kreuz und damit der Anfang der Auferstehung zu erkennen. Der linke Arm und das linke Bein haben sich vom Kreuzesbalken schon gelöst. Der Arm geht in Richtung himmelwärts, die Hand hat sich zum Siegeszeichen geöffnet: „Ich habe den Tod überwunden, ich habe ihn besiegt.“
Die großen Nägel, sowie die aufgeplatzten Seile von Arm und Bein bleiben sichtbar am Kreuzesbalken zurück. An der rechten Seite und am Leib Jesu beginnen die Seile aufzuplatzen. Der Glaube an die Auferstehung sprengt alle Fesseln. Der Kopf mit dem bewusst etwas langen Hals, den Blick nach oben, die Neigung leicht nach hinten gerichtet, soll den Übergang des Todes zum neuen Leben symbolisieren. Aus der zarten Dornenkrone, die nur an ein paar Stellen mit dem Kopf verbunden ist, entsteht eine Christkönigskrone. Das Antlitz Jesu ist nicht mehr sehmerzverzerrt, gewichen sind alle Qual und Peinigung.
Dieses Kreuz hat nun seinen Platz an der rustikalen Kalksteinmauer des Ordensfriedhofs der Dormitio-Abtei in Jerusalem gefunden.
Durch diese plastische Gestaltung des Auferstehungskreuzes wollte ich zum Ausdruck bringen, dass Qual, Pein und stärkste Grausamkeit mit Tod für uns Christen nicht das Ende sind. Vielmehr sind doch die Auferstehung und Verherrlichung Gottes unser Weg und Ziel.
(Reinhard Verstege, Stuttgart, im April 2009)